„Trauer ist am Ende immer Beziehungsarbeit“
Ein Rückblick auf das Hospizcafé im Winter mit Julia und Martin Dobretsberger
Martin und Julia Dobretsberger wissen, wo sie zuhause sind. Sie sind „Reisende, nicht Suchende“ und aus dieser inneren Beheimatung heraus begleiten sie Menschen in den wohl schwersten Momenten des Lebens. Die engagierten Bestattermeister aus Linz teilten ihre Erfahrungen über Abschied, Ritualkompetenz und die besondere Herausforderung der Trauerzeit rund um Weihnachten.
„Wir wissen nicht mehr als ihr“ – damit leitet Martin Dobretsberger einen berührenden Abend beim Hospizcafé im Winter ein. Ein Abend der Offenheit, der starken Bilder und der Hoffnung.
Bodenlos
Wie erklärt man Trauer? Julia Dobretsberger zieht den Vergleich mit einem Wackelbrett (Balance Board). Alles ist volatil, der feste Boden ist verschwunden, alles steht infrage. In dieser Ohnmacht neigen Außenstehende oft zu einem „Reparaturzwang“. Man möchte helfen, trösten, die Situation „flicken“. Der Versuch, Trost zu spenden, kann aber ein ungewollter Eingriff in die Beziehung zwischen dem/der Trauernden und der verstorbenen Person sein. Was Trauernde wirklich brauchen, sind Menschen, die wertfrei zuhören und die Hand ausstrecken.
Es geht um das Aushalten der Ohnmacht, nicht um das Weglaufen oder Schönreden. Denn Trauer ist kein passiver Rückzug. Sie ist Arbeit. „Trauer ist am Ende immer Beziehungsarbeit“, so die Kernbotschaft. Auch die Wut trauernder Menschen wurde an diesem Abend umgedeutet: Wut ist oft nichts anderes als „Liebe, die noch kämpft“ – ein kraftvoller Ausdruck der Verbindung, die bestehen bleibt.

Stille Nacht
Gerade zu Weihnachten (und zu anderen Familienfesten) kommen Emotionen hoch – das innere Kind und die Erinnerung an eine heile Welt drängen sich auf. Hier plädieren unsere Gäste für offene Kommunikation im Familienverbund, sowie für eine bewusste „Ver-Ortung“ der Trauer. Das Wort Friedhof kommt von „Einfriedung“ – es darf also eine Grenze geben. Wenn man der Trauer einen konkreten Platz gibt (örtlich und zeitlich), verhindert man, dass sie sich wie ein Nebel über das gesamte Weihnachtsfest legt.
Über Rituale kann die verstorbene Person bzw. die Erinnerung auch einen aktiven Platz bekommen. So kann zB. Christbaumschmuck in Erinnerung an die verstorbene Person gestaltet werden oder man schneidet einen Ast vom Weihnachtsbaum ab und bringt ihn zum Grab. So schafft man eine Verbindung, aber auch einen symbolischen Platz, den man wieder verlassen darf, um das Fest zu feiern.
„Trauerkompetenz ist Lebenskompetenz“, betonten Julia und Martin und laden uns alle ein, diese durch Rituale und Familientraditionen zu fördern. Die Formel dafür klingt simpel, ist aber wirkmächtig: „Ritual = Haltung + Wiederholung + Sinn“. Mit Haltung ist dabei die aufmerksame und bewusste Ausführung gemeint (im Gegensatz zur gewohnheitsmäßigen Handlung). Durch die Wiederholung erhält das Ritual seine Kraft und darf zur Tradition werden. Ganz wichtig: der Sinn (Zweck, Ziel, Bedeutung) muss allen Beteiligten klar sein.

Lebensfarbe
Zum Abschluss gaben Julia und Martin den Zuhörenden noch ein Bild der Hoffnung mit auf den Weg: Jeder Mensch kommt als weißes Blatt Papier zur Welt. Mit der Zeit beginnen wir es einzufärben und mit jeder Begegnung hinterlassen auch andere Menschen ihre Farben in unserem Lebensbild – und wir unsere in ihrem. Wenn ein Mensch verstirbt, dürfen seine Lebensfarben in den Hinterbliebenen weiterleben.
“Wir sind aus der Liebe heraus geboren und am Ende des Lebens dürfen wir uns in die Liebe der Menschen fallen lassen, die bereit sind, unser Leben als Teil ihrer Persönlichkeit anzunehmen.”
Ein Abend, der Mut machte, die Trauer und den Schmerz nicht wegzuschieben, sondern ihn als Teil der Liebe zu begreifen, die bleibt.
Nähere Informationen zur Bestattung Dobretsberger sowie dem Adventkalender für Trauernde hier: dobretsberger.at